Gedruckte Dummheit

„A Street Cat Named Bob“ ist die Geschichte der Freundschaft zwischen dem Ex-Junkie James Bowen und dem rotgetigerten Kater Bob. Das Buch ist in England ein Bestseller, es soll schon in 18 Sprachen übersetzt worden sein, in Deutschland soll es im Mai erscheinen. Mit der Hilfe einer Literaturagentin und eines Profi-Schriftstellers erzählt James, wie er Bob fand, sich mit ihm anfreundete, ihn mitnahm, wenn er in der Londoner Innenstadt mit Straßenmusik sein Geld verdiente, und wie ihm der Kater schließlich den Antrieb gab, das Methadon-Programm zu verlassen, um auch ohne Ersatz-Droge zu leben. 

Auf den ersten Blick eine berührende Geschichte, bei näherem Hinsehen aber ein kühl kalkuliertes Medienprodukt: niedliches Tier, junger Mensch auf Abwegen, Läuterung durch Freundschaft und Liebe. Durchtränkt mit der vor allem in den USA verbreiteten „Jeder ist seines Glückes Schmied“-Ideologie. Sicherlich mit wahrem Kern, aber von Schreib- und Marketing-Profis auf die richtige Botschaft gebürstet und auf Rührseligkeit getrimmt, dass es nur so trieft.

Und an einigen Stellen ausgesprochen unwahrhaftig. Beispiel: James präsentiert sich in dem Buch als einer, der das Straßenleben als Bettler, Straßenmusiker und Verkäufer einer Obdachlosen-Zeitschrift seit zehn Jahren kennt. Doch er will völlig davon überrascht gewesen sein, dass die Leute viel freundlicher und großzügiger sind, seit sein Kater ihm beim Musikmachen Gesellschaft leistet. Ja, hat er denn in all den Jahren nicht mitbekommen, dass Bettler mit Tieren grundsätzlich erfolgreicher sind? Jeden Tag kann man als Passant in der Fußgängerzone beobachten, wie Tiere die Herzen und die Portemonnaies der Menschen öffnen.

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Warum erwähnen wir dieses Buch überhaupt? Weil es sich an einigen Stellen liest wie Schleichwerbung für Industriefutter, bis hin zur namentlichen Erwähnung eines „Premium“-Produkts, das auch in Deutschland aufwendig beworben wird. Nacktes product placement, der Futtername taucht völlig unmotiviert auf und ist für die Handlung ohne jeden Belang. Ob die geschäftstüchtige Literaturagentin wohl einen Deal mit dem Hersteller gemacht hat? Wir wissen es nicht. Es würde uns aber nicht wundern. 

Denn ziemlich früh wird in der Geschichte deutlich, dass hier offenbar auch eine Botschaft über „richtige“ Katzenernährung transportiert werden soll: James beobachtet, wie Bob eine Maus fängt. „Ich wollte nicht, dass er sie isst“ (Übers. MP). 

Und warum soll der Straßenkater die Maus nicht essen? Mäuse seien, steht da allen Ernstes zu lesen, „notorische Brutstätten für Krankheiten“ (Übers. MP). 

Das ist so atemberaubend idiotisch, dass es eigentlich nur dem Hirn von Tierfuttermarketingleuten entsprungen sein kann.

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Alles in allem ist das Buch jedoch nicht völlig schlecht. Es kann die Leser/innen dafür sensibilisieren, wie schwer es die Menschen haben, die auf der Straße leben: ob Stadtstreicher vom alten Schlag, Straßenmusiker, junge Punks samt ihren Hunden, Zeitungsverkäufer oder Roma. Wer es sich leisten kann, sollte ihnen etwas geben.

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