OT: Richtiges Essen



Ein Tagungshotel irgendwo in Deutschland, zur Frühstückszeit. Die meisten Gäste bedienen sich am Büfett mit Brötchen, Käse, Wurst, Eiern und Speck. Ulla K., Anfang 40 und fast so breit wie hoch, traut sich das nicht. Sie nimmt Müsli und Magerjoghurt.  

Wäre sie Patientin des schwedischen Arztes Dr. Andreas Eenfeldt, würde sie zu Eiern mit Speck greifen. Um Kohlenhydrate und fettarme Milchprodukte würde sie einen weiten Bogen machen. Würde sie dabei bleiben, würde sie ihr Übergewicht loswerden, ohne je hungern zu müssen. Ihre Blutfettwerte würden sich verbessern, ihr Blutzucker würde sich normalisieren, ihr Blutdruck würde sinken, ihre Gelenkschmerzen wären weg. Sie würde sich zunehmend fit und vital fühlen.

Eenfeldt ist engagierter Vorkämpfer für „richtiges Essen“ – viel tierisches Fett, maßvolle Mengen an Protein, wenig bis gar keine Kohlenhydrate, Gemüse mit geringem Stärkegehalt, wenig Obst, kein Zucker, auch kein (vermeintlich gesunder) Fruchtzucker, keine Süßgetränke (auch nicht „light“ oder „zero“). In Schweden hat die Low-carb-high-fat-, die kohlenhydratarme fettreiche Ernährung mehr Anhänger als anderswo, sehr zum Missfallen der staatlichen Lebensmittelbehörde, die gegen Fett wettert und Brot, Kartoffeln, Nudeln und Reis als gesunde Basislebensmittel propagiert.

Der schwedische Arzt und Buchautor hat Low-carb nicht erfunden. Schon der legendäre französische Koch Brillat-Savarin wusste, dass seine Zeitgenossen nicht von Braten und Sahnesaucen, sondern von Mehl und Zucker fett wurden. Das ganze 19. und 20. Jahrhundert hindurch haben Laien und Mediziner die Vorteile einer stärkearmen, zuckerfreien, fett- und proteinreichen Ernährung am eigenen Leib erfolgreich erprobt oder in Studien untersucht und darüber geschrieben. 

Dass ihre Erfahrungen und Erkenntnisse weithin ignoriert wurden, ist das fragwürdige Verdienst des US-Epidemiologen Ancel Keys, den man inzwischen mit Fug und Recht als Scharlatan bezeichnen kann. Seine manipulierten Untersuchungen legten die Grundlage für die Fetthysterie, die seit den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts die Ernährungsmedizin dominiert. 

Auch heute noch werden seine falschen Ansichten munter wiedergekäut. So steht in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift „Stern“ (41/2013) zu lesen: „Fleisch und Milchprodukte enthalten reichlich ‚gesättigte‘ Fettsäuren, die die Cholesterinwerte ungünstig beeinflussen und das Risiko für Herzleiden erhöhen.“

Das ist schlicht und ergreifend falsch. Der Wissenschaftsjournalist Gary Taubes hat schon 2001 im Fachblatt „Science“ umfassend dargelegt, dass die Fetthysterie niemals wissenschaftlich begründet war („The soft science of dietary fat“). Keys und seine vielen Anhänger und Nachfolger konnten nie beweisen, dass der Verzehr gesättigter Fette in Form von Fleisch, Speck, Eiern, Butter, Sahne usw. wirklich die Ursache für Herz-Kreislauf-Erkrankungen (Herzinfarkt, Schlaganfall usw.) ist. Und das, obwohl Hunderte Millionen US-Dollar für Studien ausgegeben wurden (die aber den erwünschten Nachweis nie beibrachten). In seinem überaus faktenreichen Buch „Good calories, bad calories“ (2007) zeigt Taubes, dass das Fettarm-ist-gesund-Theorem alles ist, nur keine Wissenschaft und warum kohlenhydratlastige Ernährung vielen Menschen Übergewicht, Diabetes usw. beschert. 

Trotz Taubes und anderer Aufklärer glauben die meisten Ärzte, Ernährungsfachleute und Journalisten nach wie vor, dass Fett, Fleisch und Eier fett machen und ungesund sind. Menschen mit Übergewicht, Bluthochdruck, Diabetes usw. glauben es ebenfalls, quälen sich mit sinnlosen Diäten und werden immer mehr krank. Eenfeldt selbst gehörte auch zur Anti-Fett-Fraktion, bis er auf den richtigen Trichter kam. Seit 2007 bringt er die frohe Botschaft in seinem erfolgreichen Blog „Kostdoktern“ unter die Leute. In seinem Buch „Köstliche Revolution“, das kürzlich in deutscher Übersetzung erschien, zeigt er, wie Übergewichtige, Diabetiker und Bluthochdruckpatienten durch richtiges Essen gesund und schlank werden können.

„Köstliche Revolution“ richtet sich an medizinische Laien und schildert in gut verständlicher Sprache, wie es zur Fetthysterie kam und warum Fettleibigkeit und Diabetes heute epidemische Ausmaße erreichen. Es ist Eenfeldt sehr daran gelegen zu verdeutlichen, dass Low-carb-high-fat keine Modediät ist, sondern die Ernährungsweise, an die der Mensch evolutionär angepasst ist. An Weißmehl und Zucker, diese historisch jungen Errungenschaften der Lebensmittelproduktion, sind die Menschen hingegen nicht gut angepasst, jedenfalls viele nicht. Natürlich gibt es Glückliche, die Nudeln und Kartoffeln und Süßigkeiten futtern können, ohne irgendwann einmal fett und krank zu werden. Aber für die Mehrheit gilt, dass ihr Stoffwechsel früher oder später durch die vielen Kohlenhydrate aus den Fugen gerät. 

Auf den letzten gut 50 Seiten seines Buchs gibt Eenfeldt nützliche konkrete Ratschläge für die kohlenhydratarme Ernährung und beantwortet häufig gestellte Fragen: Was ist mit Vitaminen und Ballaststoffen, sind ungesättigte Fette nicht doch gesünder als Butter und Speck, u. a. m. 

Nicht befriedigend sind seine Ausführungen zu den Kosten der Low-carb-Ernährung. In Schweden, wo es noch einigermaßen sozial zugeht, mag diese Ernährungsweise auch für Arbeitslose usw. erschwinglich sein – in Deutschland sieht das anders aus. Low-carb dürfte für Hartz-IV- oder Niedriglohnbezieher schwer bis unmöglich sein. Kohlenhydrate sind wesentlich billiger als Fleisch und Fisch. Warum sind Übergewicht und Diabetes in den USA vor allem unter Schwarzen und Latinos so verbreitet? Weil man sich mit Mini-Löhnen oder staatlichen Lebensmittelmarken kein richtiges Essen leisten kann.

Ein für viele Menschen wichtiges Thema wird von Eenfeldt leider kaum gestreift: Geht Low-carb auch ohne Fleisch? Bleibt Vegetariern und Veganern nur übrig, so bescheiden und unter der Sättigungsgrenze zu essen wie die Völker, die traditionell kohlenhydratreich essen und Übergewicht, Diabetes usw. trotzdem kaum kennen? 

Das Buch hätte ein strengeres Lektorat gebraucht. Über die Flüchtigkeitsfehler kann man hinwegsehen. Aber für deutschsprachige Leser/innen ist es ziemlich uninteressant, welche Ernährungsirrtümer von den schwedischen Behörden propagiert werden. Hier wäre ein Abschnitt über offizielle Ernährungsempfehlungen in Deutschland und Österreich angebracht gewesen.  

Alles in allem bietet „Köstliche Revolution“ einen guten Einstieg in die Grundlagen und die Praxis der Low-carb-Ernährung. Wer es genauer wissen möchte, sollte Taubes lesen, dessen Bücher sind allerdings bisher noch nicht in deutscher Übersetzung erhältlich. 

Andreas Eenfeldt: Köstliche Revolution. Gesund und schlank durch richtiges Essen. Ennsthaler Verlag 2013, 312 Seiten, 24,90 Euro


PS: Warum dieser Off-topic-Beitrag? Weil viele Katzenhalter/innen falsche Vorstellungen über gesunde Ernährung hegen und sie auf die Ernährung ihrer Katzen übertragen. Beispielsweise die Vorstellung, dass gesättigte Fette ungesund seien oder dass Katzen Ballaststoffe bräuchten.
PPS: Neuerdings gibt es auf der Website des Autors auch ein paar ovo-lakto-vegetarische Rezepte. 



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